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Sachsen-Anhalt
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„Menschen dürfen nicht alleine gelassen werden“

WEISSER RING zieht rund ein Jahr nach dem Anschlag von Halle eine gemischte Bilanz im Umgang mit den Opfern

Ein Jahr nach dem rechtsextremistischen und antisemitischen Anschlag von Halle zieht der WEISSE RING in Sachsen-Anhalt eine gemischte Bilanz im Umgang der Gesellschaft mit den Opfern. Wichtige Hilfen seien teilweise verwehrt geblieben.

„Die Erinnerungen an diese schreckliche Tat sind bei Opfern, Angehörigen, Zeugen und allen anderen Betroffenen nach wie vor präsent und werden das auch ein Leben lang bleiben“, so die amtierende Landesverbandsvorsitzende des WEISSEN RINGS Sachsen-Anhalt, Kathrin Schmidt.  „Wir haben nach der Tat unsere Soforthilfe von jeweils 300 auf 1000 Euro aufgestockt, auch wenn wir wissen, dass eine solche Summe nichts sein kann außer einer kurzfristigen Entlastung.“ Insgesamt hat der WEISSE RING 36 Opfer betreut und bisher über 31.000 Euro dafür eingesetzt. Zugleich bekam der Opferhilfeverein rund 30.000 Euro an Spenden, die dafür eingesetzt werden konnten.

Foto: WEISSER RING

Neben den geflossenen Soforthilfen wurden Opfer unter anderem finanziell unterstützt, um sich einen Rechtsbeistand, eine notwendig gewordene therapeutische Unterstützung oder eine medizinische Rehabilitation leisten zu können.

Zu einem Nachsorgetreffen an einem Wochenende Ende Februar in Halle kamen 16 betroffene Personen zusammen. "Wir hatten den Eindruck, dass es allen Anwesenden sehr gut tat, Gedanken und Gefühle über das schreckliche Ereignis zu äußern und darüber ins Gespräch zu kommen“ so formulierte es abschließend ein Teilnehmer.

Defizite sieht Schmidt darin, dass Menschen in der konkreten Situation bei Hilfestellungen allein gelassen wurden und bis heute werden. So waren aus Sicht des WEISSEN RINGES konkrete und dringend benötigte Hilfeleistungen vom zuständigen Landesversorgungsamt sowie einer Krankenkasse verweigert worden. Auch solche Institutionen müssten Opfern beistehen – gerade bei einem so unfassbaren Hassverbrechen wie dem Anschlag am 9. Oktober 2019, der die Stadt und die Gesellschaft erschüttert habe. „Wenn Ansprüche, die sich aus solch einer Tat ergeben, immer noch nicht erfüllt wurden, werden Menschen, die unverschuldet in eine solche Situation geraten, erneut alleine gelassen.“ Das dürfe auf keinen Fall sein, so würden Menschen zum zweiten Mal zu Opfern gemacht. Damit das in diesem Fall nicht geschah, hatte der WEISSE RING die Hilfeleistungen übernommen.

In Halle hatte am 9. Oktober 2019 ein rechtsextremer und antisemitischer Täter versucht, in die Synagoge einer jüdischen Gemeinde einzudringen, um dort an dem höchsten jüdischen Feiertag möglichst viele Gemeindemitglieder zu töten. Seine antisemitische Motivation hatte er zuvor im Internet bekannt gegeben. Als er an der Tür scheiterte, die in die Synagoge führte, erschoss er zwei Personen in Halle, verletzte zwei weitere auf seiner Flucht lebensgefährlich und wurde schließlich festgenommen. Aktuell läuft der Prozess gegen ihn vor dem Oberlandesgericht Naumburg, der Mann ist wegen zweifachen Mordes und 86-fachen versuchten Mordes angeklagt.

Der Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Jörg Zierke, hatte sich zuletzt mehrfach dafür eingesetzt, dass sich vor allen Dingen die Politik stärker gegen Hass und Hetze im Netz engagiert. Die Täter von Halle oder Hanau und auch Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke hätten sich zuvor im Internet in einem Umfeld von Hass und Hetze bewegt. Zierke weiter: „Zum Teil haben auch politische Brandstifter hier eine Mitverantwortung. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich diese Leute nach solchen Taten einfach wegducken und die Verantwortung von sich schieben.“ Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität sei ein wichtiger erster Schritt, der aber alleine nicht ausreiche.

„Wir werden“, so die Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS, „weiter an der Seite der Opfer stehen und alles in unserer Macht stehende tun, um sie bestmöglich zu unterstützen.“

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